MEIN KÖRPER GEHÖRT MIR

Mein liebes Kind: „Ein schlechtes Geheimnis macht keinen Spaß und verursacht Kummer und Bauchweh und macht traurig. Darüber darfst du sprechen, das ist auch kein Petzen, denn ein schlechtes Geheimnis will raus.“

Uns ist allen klar: Kinder haben nicht die Verantwortung, sich selbst zu schützen! Die Verantwortung dafür bleibt immer bei den erwachsenen Bezugspersonen. Doch ist es wichtig, dass Kinder frühzeitig lernen, auf ihr körperliches oder seelisches Unbehagen zu vertrauen, und dass sie eine gute Selbstwahrnehmung entwickeln. So sind sie eher in der Lage, „Nein“ zu sagen, sich zur Wehr zu setzen bzw. Hilfe zu holen, wenn sie sich in bestimmten Situationen nicht mehr wohl fühlen, und sie spüren, dass ihre Grenzen verletzt werden.

DAS ist wichtig!!!

Klare Ausdrucksfähigkeit fördern
Da sich Kinder nicht ausreichend selbst schützen können, ist es neben der guten Selbstwahrnehmung wichtig, dass sie sich trauen, ihre Gefühle zu äußern, und auch, dass sie möglichst genau beschreiben können, was ihnen widerfährt. Um dies zu können, ist zunächst einmal eine geeignete Sprache nötig.

Wenn es um das Thema Sexualität geht, greifen die meisten Menschen auf der ganzen Welt im familiären Kontext und Partnerschaft auf Umgangssprache zurück. Diese erscheint oft als vulgär oder verniedlichend, und ist nicht immer eindeutig, hat aber dem „offiziellen“ Vokabular voraus, dass sie nicht so technisch und kalt erscheint.

Auch Kinder haben meist umgangssprachliche Bezeichnungen gelernt. Doch sollten sie daneben unbedingt auch das „offizielle“ Vokabular beherrschen, und ihnen Wörter wie „Vagina“ (oder zumindest „Scheide“) und „Penis“ geläufig sein. Denn es kommt darauf an, dass sie sich auch in einem Umfeld außerhalb der vertrauten Familie auf eine Art mitteilen können, die sicherstellt, dass sie verstanden werden. Mein Plädoyer in Richtung erwachsene Bezugspersonen geht also dahin, Kinder beim Thema Sexualität „zweisprachig“ aufwachsen zu lassen. Eine sexualitätsfreundliche, offene Umgebung, die Kindern ermöglicht, zu intimen Dingen eine Sprache zu entwickeln, dient letztlich auch dem Schutz vor sexuellen Übergriffen.

Was für grenzverletzendes Verhalten gibt es?

Grenzverletzung durch Erwachsene
Das können ganz alltägliche Situationen im Umgang mit Erwachsenen, aber auch mit Kindern sein:

#die Umarmung durch die Nachbarin
#der Kuss auf die Wange durch den Onkel
#das Mundabwischen durch die Mama
#festgehalten werden, damit die Schuhe gebunden werden können
#unter Druck gesetzt werden: „Wenn du DAS nicht machst, bist du nicht mehr mein Freund/meine Freundin“
#gegenseitiges Hosenherunterziehen im Kindergarten uvm.

Grenzverletzung zwischen Kindern
Doch geschieht übergriffiges Verhalten nicht nur durch Erwachsene gegenüber Kindern, auch in der Interaktion zwischen unseren Kindern sind kleine und größere Grenzverletzungen an der Tagesordnung. Miteinander zu spielen, ist für Kinder ein elementar wichtiges Lernfeld, wenn es darum geht, sich als soziale Wesen zu begreifen. Wenn Kinder, bedingt durch viel körperliche Nähe „im Spiel“, untereinander Grenzen verletzen, so tun sie das in der Regel im Überschwang, und es ist kein geplantes, sondern ungeplantes Vorgehen.

Das grenzverletzte Kind
Die Kinder lernen hierbei auch durch die Reaktionen ihrer Umwelt. Kann sich ein Mädchen oder Junge aus eigener Kraft nicht ausreichend gegen eine Grenzverletzung zur Wehr setzen, versucht es nun im Idealfall, die Hilfe zu bekommen, die ihm zusteht.
>>> Bekommt das Kind diese Hilfe auch, so lernt es, dass das im Moment der Grenzverletzung erlebte schlechte Gefühl nicht trog, dass die Bezugspersonen es ernst nehmen, und dass es sich lohnt, sich zur Wehr zu setzen. Es wird in seiner Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit bestärkt, es wird besser geschützt und hat eher die Chance, sich gegen weitere Grenzverletzungen zu wehren.
>>> Bekommt das Kind die Hilfe nicht, so lernt es das Gegenteil – was fatal ist: es erlebt sich als hilflos, es teilt sich vielleicht nicht mehr mit, es macht das Erlebte mit sich selbst aus und lernt vielleicht sogar, das eigene schlechte Gefühl zu negieren.

Das grenzverletzende Kind
Auch das grenzverletzende Kind lernt aus der Art, wie auf die Grenzverletzung reagiert wird. Erfolgt keine Reaktion, ist der Lerngewinn womöglich der, dass sich die Grenzverletzung in der Ausübung gut angefühlt hat und ohne Konsequenzen bleibt. Das grenzverletzende Kind läuft nun Gefahr, sein Tun zu wiederholen, und damit übergriffig zu werden. Denn Übergriffe unterscheiden sich von Grenzverletzungen dadurch, dass sie eben sehr wohl geplant und strategisch vorbereitet sind, und in voller Absicht passieren. Übergriffige Kinder haben ihr Verhalten also auch gelernt. Trotzdem ist es nicht hilfreich, diese Kinder als Täter*innen zu stigmatisieren. Denn genauso, wie sie ihr Verhalten gelernt haben, besteht die Möglichkeit, dass sie es auch wieder verlernen.

Wichtig für Fachkräfte und Eltern ist also, immer ein „offenes Ohr“ zu haben und die Gefühlsäußerung des betroffenen Kindes ernst zu nehmen, um im Bedarfsfall intervenieren zu können. Darüber hinaus sollen sie auch in der Lage sein, selbstreflexiv zu erkennen, wenn sie ihrerseits Grenzen überschreiten, denn auch dies geschieht hin und wieder im alltäglichen Umgang. Wenn erwachsene Bezugspersonen dann noch in der Lage sind, sich für ihr Fehlverhalten gegenüber dem Kind entschuldigen zu können, ist das ganz wunderbar und hat wiederum einen Lerneffekt: es ist ein Zeichen für das Mädchen bzw. den Jungen, dass Erwachsene nicht unfehlbar sind, und dass man sich auch gegen sie wehren darf. Gekoppelt mit der grundsätzlich zu vermittelnden Haltung, dass Kinder keinen unbedingten Gehorsam leisten und nicht alles tun müssen, was die „Großen“ sagen, ist das umso wertvoller.

Kinder haben Rechte, eine unermessliche Würde und damit vor allen Dingen einen Körper, der nur ihnen alleine gehört!

Exkurs: Einfache Übung zur Stärkung der Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit für die Kita/Schule/Tageseinrichtung

Die Kinder stellen sich in zwei Reihen gegenüber auf. Zwischen beiden Reihen sollte ein Abstand von etwa fünf Metern liegen. Jedes Mädchen und jeder Junge hat nun ein Gegenüber.

Die Kinder der einen Reihe gehen nun auf ein Kommando langsam auf ihr jeweiliges Gegenüber zu und halten dabei Blickkontakt.

Die auf der anderen Seite in der Reihe wartenden Kinder achten darauf, ab wann diese Situation für sie unangenehm wird (voraussichtlich dann, wenn der Abstand von einer Armlänge unterschritten wird), heben dann ihre Hand und rufen „Stopp“.

Die Rollen werden nun vertauscht, und die vormals wartenden Kinder gehen nun ihrerseits auf ihre Gegenüber zu.

In einer kurzen Auswertung versuchen die Kinder, ihre Gefühle während der Übung zu beschreiben.

Grenzsetzung: positiv für beide Seiten
Die Kinder werden die Auflösung der Situation durch das Stopp-Zeichen überwiegend auch dann als erleichternd empfunden haben, als sie den aktiven Part gespielt und auf das Mädchen bzw. den Jungen gegenüber zugegangen sind. Dies zeigt, dass es auch für ein sich im Begriff der Grenzüberschreitung befindlichen Kindes entlastend sein kann, wenn ihm in diesem Moment eine Grenze aufgezeigt wird. Dieses Muster wird erwachsenen Bezugspersonen im Umgang mit Kindern oft begegnen: Kinder empfinden Grenzsetzungen nicht unbedingt als unangenehm, manchmal verlangen sie quasi danach – denn sie geben ihnen Orientierung.

PRÄVENTION: WAS IST GEWALT UND WIE KÖNNEN WIR SIE VERHINDERN?

Nicht nur körperliche, seelische und sexualisierte (aktive) Gewalt sind eine Form von Gewalt gegen Kinder, sondern auch physische, emotionale und soziale Vernachlässigung und Verwahrlosung als passive Form. Die fehlende Zuwendung kann je nach Ausprägung mehr oder weniger stark die körperliche und seelische Entwicklung des Kindes beeinträchtigen, mit Auffälligkeiten im kognitiven und emotionalen Bereich, im somatischen und psychosomatischen Bereich und im Sozialverhalten.

Wer übt Gewalt aus?

Nach der Gewaltdefinition der Weltgesundheitsorganisation werden drei Kategorien unterschieden, von wem Gewalt ausgeht: Gewalt gegen die eigene Person (suizidales Verhalten und Selbstmisshandlung), Gewalt von einer Person oder Gruppierung gegen eine andere Person (zwischenmenschliche Gewalt) und Gewalt durch größere Gruppierungen (kollektive Gewalt). Die zwischenmenschliche Gewalt gliedert sich in zwei Untergruppen: Gewalt in der Familie und Gewalt, die von Mitgliedern einer Gemeinschaft ausgeht.

Gewaltprävention

Prävention bezeichnet vorbeugende Maßnahmen, die ein unerwünschtes Ereignis oder eine unerwünschte Entwicklung vermeiden sollen. Je früher die Prävention greift, desto höher sind die Erfolgsaussichten. Nach der ergebnisorientierten Definition kann als Gewaltprävention alles verstanden werden, was Gewalt reduziert.

Kinder haben Rechte

Hast du das gewusst? – In Deutschland haben Kinder seit November 2000 nach § 1631 Absatz 2 BGB ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. 

Kinder und Jugendliche haben das Recht auf besonderen Schutz gegen körperliche und sittliche Gefahren, denen sie ausgesetzt sind. Auch ohne diese Grundlagen sollten gewaltfreie Erziehung und gewaltfreies Aufwachsen für Kinder zum Selbstverständnis einer Gesellschaft gehören.

Die Gestaltung des Sozialklimas

Weshalb ist die Etablierung von Regeln und das Setzen von Grenzen so wichtig?

Regeln zu akzeptieren bedeutet für Kinder mehr Sicherheit, Schutz, Halt, Orientierung und soziales Miteinander. Kinder brauchen Freiheit und Freiraum, um sich entwickeln zu können, jedoch auch Beständigkeit und Orientierung.  Dies kann durch setzen klarer Grenzen und verbindliche, sinngebende Regeln erreicht werden.

In der Familie, aber auch in den jeweiligen Einrichtungen!

„Mein Körper gehört mir!“

Auf der anderen Seite dürfen von uns Erwachsenen keine Grenzverletzungen ausgehen. Mit Kindern zu üben, klare Grenzen zu ziehen, Nein sagen zu lernen und das Körperbewusstsein zu fördern, kann Missbrauch vorbeugen.

„Mein Körper gehört mir!“: Kinder haben ein Recht darauf, selbst über ihren Körper zu bestimmen. Ein Großteil an Übergriffen bei Kindern geschieht im sozialen Nahbereich. Dabei wird das Kind häufig durch Drohungen oder subtile Einschüchterungen zum Schweigen gebracht.

Da es vom Täter oder von der Täterin emotional abhängig ist, traut es sich nicht, die Beziehung zu gefährden. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder lernen, „Nein“ zu sagen und klare Grenzen  zu ziehen.

„Nein“ sagen stärkt das Selbstbewusstsein, hilft in der Entwicklung des eigenen Willens und der Wahrnehmung eigener Bedürfnisse und ist Voraussetzung für ein autonomes Leben.

UNSERE KREATIVWERKSTATT

WIE SEHE ICH AUS? – DEIN KIND NIMMT SEINEN KÖRPER WAHR

Nimm dir zur Veranschaulichung des menschlichen Körpers ruhig eine Puppe zur Hand. Demonstriere deinem Kind mithilfe der Puppe die Aufteilung des Körpers in verschiedene Körperabschnitte (Kopf, Hals/Nacken, Oberkörper/Brustkorb, Rumpf, Arme, Beine). Nach der groben Einteilung geht ihr auf die Details ein. Erwähne die Haarfarbe, die Haarlänge, die Augenfarbe und die Farbe der Kleidung der Puppe. Die Kids erfahren sich zunehmend als selbstständige Individuen und nehmen ihren Körper wahr.

Info

Alter: ab 4 Jahre

Material

1 Tapeten- oder Papierrolle

Bleistift

Schere

Puppe

Entspannungsmusik

Buntstifte oder Wachsmalkreiden

Buntpapier

1 Kleber

Kinder nehmen ihren Körper wahr – so geht’s Schritt 1 – Körperumrisse auf die Tapetenbahn zeichnen, damit er/sie seinen Körper wahrnehmen kann

Dein Kind hat nun die Aufgabe, sich mit leicht gespreizten Armen und Beinen auf ein ausreichend großes Stück Tapete zu legen. Umfahre den Körper mit einem Bleistift und versehe den Umriss mit dem Namen deines Kindes. Schneidet anschließend alle einzelnen Umrisse von der Tapetenbahn ab und gib sie deinem Kind.

Schritt 2 – gestalterische Umsetzung der persönlichen Merkmale durch die Kinder selbst

Dein Kind soll mit verschiedenen gestalterischen Mitteln seinen Umriss so gestalten, wie es selbst tatsächlich ist. Dabei kann es den Umriss ausmalen, aber auch mit Buntpapier Collagen basteln. Das Bild soll deinem Kind letztlich so ähnlich wie möglich sein, das heißt, Haar- und Augenfarbe, Besonderheiten und Kleidung sollten den persönlichen Merkmalen entsprechen.

Schritt 3 – wir vergleichen das Bild mit dem „Original“

Nachdem dein Kind sein Bild fertig gestaltet hat, wird die Zeichnung mit dem „Original“ verglichen. Dazu stellt euch gemeinsam vor einen großen Spiegel um die Gemeinsamkeiten zwischen dem Bild und dem „Original“ festzustellen. So lernt dein Kind seinen ihren Körper wahrzunehmen.

Das kann zum Beispiel so ablaufen:
Du hast deinem Bild große braune Augen gemalt. Das passt perfekt, denn du hast nämlich große braune Augen.
Du hast dir eine rote Jogginghose gemalt. Das passt, weil du am liebsten deine rote Jogginghose trägst.

 

Dir gefällt die Idee?! Dann viel Spaß beim Nachmachen!

Deine Franzi

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